Zum Impfgipfel: Was führte zum mangelhaften Impfstart in Europa? (Teil 1)
Zum Impfgipfel: Was führte zum mangelhaften Impfstart in Europa? (Teil 1)

Zum Impfgipfel: Was führte zum mangelhaften Impfstart in Europa? (Teil 1)

„Zu spät, falsch und zu wenig bestellt“ – ist es wirklich so einfach? Für mich ist es sehr vielschichtig!
Wir müssen uns in den Sommer 2020 versetzen, in das damalige Wissen, in die Ungewissenheit über die Bedrohung durch ein neues Virus nach der relativen Überwindung der ersten Welle –
und das über alle Grenzen hinweg (die wir ja auch ständig überschreiten) und damit nur gemeinsam ohne Staatenegoismus überwinden können:
also sowohl kontinental als auch weltüberspannend, bei den unterschiedlichsten Möglichkeiten der einzelnen Völker/Staaten – und Menschen, die alle überleben wollen.

Wir leben in einem Europa gemeinsam, nicht fest abgrenzbar, bereits politisch verfasst mit einem Instanzenweg, und so ging man
unter drei Voraussetzungen an die Aufgabe heran:
1. aus den vielen, teils unbestimmten Entwicklern 7 ausgewählt (oder hätte man schon mehr erkennen, sich präziser festlegen können? Erfolg und Schnelligkeit sicher nicht)
2. für alle Mitgliedstaaten bezahlbar (was allerdings intern zu regeln ist, nicht zulasten externer Bewerber und der Anbieter, aber mit Weltverantwortung aller)
3. unter Einrechnungen der Haftungsbedingungen (verantwortlich für das Geld der Bürger)
Dagegen ist an sich nichts einzuwenden, und man muss noch die Dauer von Sondierungsgesprächen und Verhandlungen (AstraZeneca 41 Seiten Text!) mit einrechnen.

So hat man sich zunächst im Sommer für die 3 billigsten Angebote entschieden: AstraZeneca (Abschluss August 400 Mill Dosen), Sanofi/GSK (Abschluss September 300 Mill),
Johnson & Johnson (Deutschland-Anteil 37,25),
dann im Herbst für die 3 wesentlich teureren: Biontech/Pfizer (Abschluss November 300 Mill Dosen, Pfizer lehnt Haftung ab), Moderna (160 Mill Dosen)
und den Tübinger Entwickler Curevac (73 Mill Dosen der deutsche Anteil).
Trump, der nichts zum Schutz der Bevölkerung und Verhinderung der Todesopfer tat, hatte im März zunächst die Firma aufkaufen wollen, dann exklusiv die Gesamtproduktion –
die BRD beteiligte sich bei den Tübingern und deren Allgäuer Haupteigentümer mit 300 Mill Euro an den Entwicklungskosten, Bayer stieg letztlich als Partner ein.
Trump hatte sich im Juli 600 Mill Dosen gesichert, von Biontech Pfizer 500 Mill Dosen.
Mit Geld und „Amerika first“ (nicht nur mit dem War Act aus der Zeit des Korea-Krieges, sondern auch mit der Anordnung vom 8. Dez 2020 an Pfizer,
vorrangig die landeseigenen Impfzentren zu beliefern) kompensierte er die politische Untätigkeit und die so mit zu verantwortenden Todesopfer.

Für uns entscheidend: Die EU hat für 450 Mill Bürger (bei 2 Impfungen 900 Mill Vakzinen) 2 Milliarden Dosen bestellt – das ist eine Überversorgung!

Zusätzlich hat sie mit dem französischen Entwickler Valneva nach Sondierungsgesprächen 60 Mill Dosen von dessen „klassischem“ Stoff vertraglich gesichert
und eine Vereinbarung mit dem US-Konzern Novavax/Baxter getroffen (Deutschland für sich 100 Mill Dosen aus der Produktion in Halle (!);
auch Biontech will hier produzieren, zusätzlich zu Marburg, was gestern die arzneimitteltechnische Genehmigung bekommen hat, mit Eröffnung im Februar).
Dies ist das nächste aussichtsreiche proteinbasiertes Produkt, bereits mit rund 90 % Wirkung in der Phase 3 in GB inkl. brit. Mutation
(aber beim südafrik. Mutanten in kleinerer Studie dort bisher nur zu 49,4 %).

Das wäre von den zu erwartenden und faktisch bestellten und reservierten Produktzahlen her – was man als Pull-Effekt bezeichnen kann –
keineswegs „zu wenig bestellt“, sondern sehr deutlich eine Überversorgung, Ausfälle und spätere Bedürfnisse schon einrechnend.
Über die Produktionsmöglichkeit jedoch und damit faktische Verfügbarkeit – damit über den Push-Effekt – müssen wir später sprechen.

Zuerst: Konnte man zum Zeitpunkt der Sondierungen und Verhandlungen schon voraussehen, daß man „falsch bestellt“?
Hat man nach dem jeweiligen Status 3 im Zulassungsverfahren gefragt und damit den größten Chancen?
Die erste Zulassung erfolgte am 21.12.2020 und zudem ganz anders,
die zweite am 28.12.2020 und die dritte am 28.1.2021 (nur diese für einen aus der primären Bestellgruppe!
Daß man über noch nicht fertiggestellte Produkte verhandelte (dies bezeichnet man geschäftsüblich als „best effort“ – wer bestellt schon für die Mülltonne?),
hätte präzise ausgesprochen werden müssen, ebenso eine Reservierungsmasse (bei laufenden Verhandlungen selbstverständlich bereitzuhalten
– bis zum Abschluss des Geschäftes oder ausgesprochener Beendigung der Gespräche!)

Bei aller nachträglichen Kritik müssen wir bedenken: Aus der Verantwortlichkeit der EU-Funktionäre bezüglich der bereitgestellten Mittel
ergibt sich auch der Blick auf das Vertrauen der EU-Bürger zur Unbedenklichkeit, Sicherheit und Effizienz des Produktes:
Mit einer einzigen Ausnahme (Valneva) handelt es sich um eine neuartige, noch nie zugelassene Impfstoffart,
weswegen man zurecht nicht den Weg über Notzulassungen (wie letztlich 4 bestimmte Einzelpolitiker) gegangen ist,
sondern den strenger nach bestehenden Regularien zu gehenden Weg zu einer ordentlichen Genehmigung (bedingt oder regulär).
Dazu, über den Push-Effekt und Streitfragen Artikel Teil 2.

MünchenBlick/ Walter Schober

Nachtrag: Halle/Westfalen ist keine Produktionsstätte, sondern eine nachfolgende Abfüllanlage –
in Marburg startet die Produktion im Februar. Vorher wurde wohl im EU-Belgien produziert (auch lieferfertig in Mainz?)

Schreibe einen Kommentar