Der frühe Dürer (Germanisches Nationalmuseum Nürnberg)
Der frühe Dürer (Germanisches Nationalmuseum Nürnberg)

Der frühe Dürer (Germanisches Nationalmuseum Nürnberg)

Heute morgens öffnet eine Sonderausstellung über den grossen Sohn der Stadt (Der grosse Festakt ist wegen Bundestagspräsident Lammert als Festredner erst am Freitag; unter den Zuhörern aber mit Grussworten MinPräs Seehofer, Staatsminister Heubisch und OB Maly. Mindestens 2000 Leute sind angemeldet – es ist aber bis 3. September Zeit, jedoch keinen einzigen Tag länger, zum Schutz der Kunstwerke).
Es ist keine Gesamtschau, auch nicht eine – biographisch bestimmte Frühwerks-Präsentation. Weder Geburts- noch Todesjahr waren Anlass dieser Ausstellung – die gab es im Haus. Insbesondere 3 in letzter Zeit festgestellte Fakten haben zu einer grossen 3-jährigen internationalen Studie geführt, die das gesamte Werk und die überlieferte Literatur (wo ja immer nur abgeschrieben wurde, was gängige Meinung war) geprüft hat und die noch weitergeführt werden muss –
mit einer Fragestellung: wie das 1471 geborene geniale Kind eines Goldschmiedes (mit ost-ungarischer Abstammung) zum wohl grössten Maler und Graphiker Deutschlands werden konnte. Ist er nach einer Reise nach Italien zum Begründer einer Ars nova, einer „Neuen Kunst“ geworden?
Deren Präsentation ist einerseits die Ausstellung, andererseits ein
über 600 Seiten umfassendes Buch (Euro 34,50 im Museum).

Beides ist eine Epochen-Studie des Nürnberg um 1500
mit dem Ergebnis: Dürer hat einen „Start dahoam“ gehabt, rund um das Haus seiner Kindheit und Jugend in der Burgstrasse (zwischen Burg und Sebalduskirche/Marktplatz). Da wohnten die Patrizier, die die oligarche Stadtrepublik (als „Innerer Rat“ der „Freien Reichsstadt“,seit 1219) regierten, viele zu reichen Handelsherren und Finanziers geworden; hier wohnten die neureichen Kaufleute, Hüttenherren und Kapitalanleger; hier wohnten die Handwerker – viele umorientiert in Handel und neuen Technologien (Buchdruck!); hier wohnten die Intellektuellen – viele an den nord- und mittelitalienischen Universitäten ausgebildet.
Die Jahre 1470 bis 1530 war die wirtschaftliche Blüte (trotz teils kriegeriischer Auseinandersetzungen mit dem Hochadel des Umlandes) dieses Handelsplatzes in der Mitte Europas (mit Augsburg, Prag, Köln, Lübeck -und gerade in diese Zeit wurde Dürer 1471 hineingeboren (gestorben 1528), aber auch gerade in dieses Umfeld.
Politischer Einfluss, Finanzstärke und hohe Bildung waren die Basis – und Innovation (modern gesprochen). Lebensstil (Kleidung, Wohnungsausstattung, Pracht-entfaltung, Kunst – Italien war präsent, und der Blick auf die Nachwelt) und Vernetzung in Zirkel mit Treffen (Sammlung von Büchern, wissenschaftliche Kolloquien – auch mit berühmten Gästen wie Celtis) waren die Auswirkung. Im Humanismus fand man „eine Denkschule, die Philosophie, Literatur und die Kunst der griechisch-römischen Antike zum Ideal erhob“ (Zitat aus dem epoc-Heft, das die Ausstellung promulgiert, sehr empfehlenswert). Gerade die Handwerker und Händler, die in diesen
Bereichen tätig waren, zu Auftragnehmern wurden, waren Glieder im Netz.
So wurde die Gesellschaft durchlässiger. Man lebte ja zudem hautnah nebeneinander, begegnete sich ständig (auch die Kinder). In der Wahl der Tauf- und Firmpaten, von Vormündern und Testamentvollstreckern lag eine weitere, rege genutzte Möglichkeit. Hinzu kamen Heiraten.
„Genannter zum Äusseren Rat“ zu werden (Dürer 1509), war Zeichen gesellschaftlicher Akzeptanz (aber keine Machtteilhabe, jedoch Sprungbrett zu Ämtern).

Der junge Dürer lernte beim Vater Goldschmiede (die leichtOrientierung zum Juwelenhändler wöre nahe gelegen), wechselte in die Malerwerkstatt des Nachbarn Wolgemut (der Grösste seiner Zeit, Schüler/Schwiegersohn/Nachfolger Pleydenwurff`s, der die Niederländische Malschule kannte). Die Schedelsche Weltchronik-Bilder entstanden in dieser Werkstatt. Sein Taufpate Koberger war d e r Buchdrucker und -händler der Stadt, mit Filialen über sie hinaus – ein „Mogul“ würde man heute sagen).
149o-94 war die Wanderung des Gesellen durch Deutschland (wenige wirkliche Belege für den nördlichen Bereich, keine für die Niederlande; erst die letzten Jahre Jahre in Colmar, Basel und Strassburg sind m e h r belegt). 1494 kehrte er zurück, wurde mit einer Nachbarstochter verheiratet (angesehener Handwerker, Verwandtschaft mit Patriziern), Beginn der Freundschaft (wohl erst jetzt) mit dem gleichaltrigen, berühmten Humanisiten Pirckheimer…
Dass wirklich 1494 eine erste Reise nach Venedig stattgefunden hat, ist nicht zu belegen – es spricht einiges dafür, dass er nach Innsbruck und der Alpenquerung in Trient umgekehrt ist (keine Skizzen mehr).
Wie geschildert, Italien war in Nürnberg (wechselseitige Handelsniederlassungen) und in Deutschland bekannt, die Themen lebten in den humanistischen Kreisen, nicht nur in den Zeugnissen des venezianischern Buchdrucks (auf der Höhe der Zeit).
Ein genialer Jüngling, tief vernetzt, sog auf, was er aufsaugen konnte – machte es verändernd und weiterentwickelnd zu seinem Eigenen: Er blieb immer ein Ringender.

In der Ausstellung wird alles, was vorlag und Beleg der Epoche ist, auf dunklem Hintergrund präsentiert – was von Dürer geschaffen wurde und die Epoche um 1500 mit zu prägen begann, auf rotem Grund. Das letzte gezeigte Werk ist von 1504 – er zeigt, was er als Maler (nicht nur Zeichner und Schnitzer/Gravierer von Druckvorlagen) kann (Anbetung der Könige).
Dann reiste er wirklich nach Venedig, aber als der Künstler, der er „dahoam“ mit all den Einflüssen der Welt und der Zeit vor ihm (inklusive Antike) geworden war:
ein Apelles (so Celtis; übrigens kein Christus).

walter.schober@cablemail.de