Für Teppichfreunde: Absage „Carpet Diem“ in München – dafür neue Ausstellung in Würzburg
Für Teppichfreunde: Absage „Carpet Diem“ in München – dafür neue Ausstellung in Würzburg

Für Teppichfreunde: Absage „Carpet Diem“ in München – dafür neue Ausstellung in Würzburg

Wegen fehlender Reise-Erlaubnis (koronabedingt) aus Großbritannien in die BRD und fehlender Ausstattung für eine Video-Verbindung
musste der Termin leider abgesagt werden.
Als Ersatz werde ich hier den Freunden antiker orientalische Textilkunst in den nächsten Tagen einen Bericht
über das Symposion „Nische und Lebensbaum“ anfangs September in der Galerie Kelim (Werner Brändl) Würzburg zur Lektüre geben
und mache jetzt auf die neue Ausstellung (im Aufbau, ab 15.10. vollständig besuchbar) aufmerksam
und lade dazu ein:

Der Galerist schreibt dazu (von mir leicht variiert):
Das Zelt der nomadischen Familie war aus Ziegenhaar gewebt oder aus gefilzter Schafwolle.
Jede Behausung musste ja transportabel sein und wurde auf Lasttieren (Kamel, Pferd, Esel) von Weideplatz zu Weideplatz transportiert. Die Einrichtung (also die „Möbel“), möglichst unsperrig und leicht, bestand – aus Vorhandenem machbar und damit zum großen Teil aus Wolle – in Aufbewahrungssäcken: für Bekleidung, Wäsche und Getreide; Bedeckungen für Bettzeug und Lebensmittel; Wiegen und Tragen für Babys; Taschen für Gerätschaften wie Spindeln, Küchengerät, für Salz oder für persönliche Dinge – also aus Wolle gefertigt.
In liebevoller Handarbeit von den Frauen gewebt und verziert waren sie bis vor etwa 50 Jahren noch Bestandteil
der Aussteuer und Stolz der Hausfrau und Familie. Sie schmückten das Zelt.

Auf den Wanderungen trugen auch die Tiere besonderen Schmuck.
In den Wintermonaten hielten sich die Familien in den niedriger gelegenen Dörfern (Kisla) auf.
Hier wurde, wie auch auf der Yayla (Sommerweide), gewebt und mit dem selbstgefertigten Hausrat aus Wolle gelebt.

Ich merke persönlich an:

Ist es verwunderlich, daß Nomadenvölker so kunstvolle Objekte gefertigt haben?
Sie haben es übrigens für sich getan, Tausch und Verkauf als Zweck/Teilzweck ergab sich erst
mit der Seßhaftigkeit und damit arbeitsteiligen Gesellschaftsform
(diese ist in der höfischen Kunstproduktion in sich logisch).
Daß „Luxus“ spät auftritt, ist ein Irrtum – in jeder vorgegebenen Situation sich besser, angenehmer,
„schöner“ zu betten, sich so zu umgeben: das ist existentielles, menschliches Bedürfnis.
Sich so zu präsentieren, in einen Wettbewerb zu treten, sich zu „schmücken“ mit dem, was man vorfindet
und was man erfindungsreich daraus machen kann, und wenn es nur die Selbstbemalung
(hin zur Tätowierung) ist –
dafür gibt es Belege aus der Mittleren Steinzeit (Höhlenmalerei – nach neuesten Beachtungen und Datierungsmethoden
in Brasilien seit 30.000 Jahren; Schmuck ebenfalls aus dieser Zeittiefe in N-Afrika belegt:
die durchbohrten und damit aufhängbaren Lazarus-Schneckengehäuse, weiters in Asien die Kauri-Schnecken
(die dann zur Tausch-Währung geworden sind) ….
Die „Wohnung“ der Nomaden in der Tierzuchtperiode (nach den Höhlen, den Unterständen wo
Pflanzen/Baumbewuchs, den Stein- und Holzbauten bei jägerischer und sammlerischer Lebensform)
musste aus Verfügbarem sein, zudem transportabel, ebenso die Transport- und Aufbewahrungsbehälter
(also „Möbel“):
Da schlug das Schönheits- und Schmuckbedürfnis durch,
g e s p e i s t (auch motivisch) aus den Grundfragen der eigenen Existenz: Naturgegebenheiten und
Naturablauf wie Jahreszeiten, Entstehen und Vergehen, Fruchtbarkeit/Geburt…, aus ihrer Weltsicht
inklusive der religiösen Einbindung (religio = Bindung), aus der Verwurzelung in ihrer Clan- und
Stammeskultur.
Was Brändl hier zeigt, ist vor Jahren in einer Ausstellung von Taschen in Traunstein
mit dem Titel „Zweck und Zier“ glänzend benannt worden (Katalog auf Nachfrage noch erhältlich,
Preis 20,- Euro, im Internet 26,-). Es ist ein gelungenes Arrangement von 60 Objekten,
großteils aus dem 19. Jhd und sehr preiswert zu erwerben: Kelims, Zeltbahnen, Cicim/Jajim,
Teppiche (Yastik, Tülü (Schlafteppiche), Sofreh),

Wiegen, Säcke und Taschen verschiedenster Größen.

Wie es damit heute ist, beschreibt der Galerist abschließend:
Die wenigen Familien, die heute noch „Almwirtschaft“ betreiben, transportieren ihren Hausrat
und die Tiere mit Lastwagen auf die Yayla. Die Gerätschaften und Behältnisse sowie die Zelte
bestehen vorwiegend aus Plastik und anderen leichten, oft synthetischen Materialien.

Gerettet vor ihrem „Verbrauch“ nun als Fußabtreter, Mopedtasche, Reparaturwolle etc. werden
die „Möbel“ und andere Textilien der Nomaden in der Ausstellung in ihrer ganzen Schönheit präsentiert
und mit Erläuterungen zu ihrer Verwendung erlebbar gemacht.

MünchenBlick/ Walter Schober

P.S: Mir sind keine anderen Terminausstellungen bekannt, auf die Auktionen wie bei Rippon Boswell Wiesbaden und Austrian Auction Company in Wien (hier ist v.a. die letzte Slot-Gruppe zur Zeit sehr interessant) sei weiterhin verwiesen.

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